Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Kraichgau-Regio Dezember 2013

23KraichgauRegioplus 18 Der Christbaumständer Verfasser unbekannt Beim Aufräumen des Dachbodens – kurz vor Weihnachten – entdeckte ein Familienvater einen ganz verstaubten, uralten Weihnachts- baumständer. Es war ein besonderer Ständer mit einem Drehmechanismus und einer ein- gebauten Spielwalze. Beim vorsichtigen Drehen konnte man das Lied "O du fröhli- che" erkennen. Das musste der Christbaum- ständer sein, von dem Großmutter zur Weih- nachtszeit immer erzählte. Es kam ihm ein wunderbarer Gedanke. Wie würde sich Großmutter freuen, wenn sie am Heiligabend vor dem Baum säße und dieser sich auf ein- mal wie in uralter Zeit zu drehen begänne und dazu "O du fröhliche" spielte. Nicht nur Großmutter, die ganze Familie würde stau- nen. Er verschwand mit dem antiken Stück unge- sehen in seinen Bastelraum. Abends zog er sich jetzt geheimnisvoll in seinen Hobbyraum zurück, verriegelte die Tür und werkelte. Kurz vor Weihnachten hatte er es geschafft. Wie neu sah der Ständer nun aus. Jetzt aber gleich los und einen prächtigen Christbaum besorgen, dachte er. Mindestens zwei Meter sollte der messen. Mit einem wirklich schön gewachsenen Exemplar verschwand Vater wieder im Hobbyraum, wo er auch gleich einen Probelauf startete. Es funktionierte alles bestens. Würde Großmutter Augen machen! Endlich war Heiligabend. "Den Baum schmü- cke ich alleine", tönte Vater. So aufgeregt war er lange nicht mehr. Echte Kerzen hatte er besorgt, alles sollte stimmen. "Die werden Augen machen", sagte er bei jeder Kugel, die er in den Baum hing. Der Stern von Bethle- hem saß oben auf der Spitze, bunte Kugeln, Naschwerk und Wunderkerzen waren unter- gebracht, Engelhaar und Lametta dekorativ aufgehängt. Die Feier konnte beginnen. Vater schleppte für Großmutter den großen Ohrensessel herbei. Feierlich wurde sie geholt und zu ihrem Ehrenplatz geleitet. Die Stühle hatte er in einem Halbkreis um den Tannen- baum gruppiert. Die Eltern setzten sich rechts und links von Großmutter, die Kinder nahmen außen Platz. Jetzt kam Vaters großer Auftritt. Bedächtig zündete er Kerze für Kerze an, dann noch die Wunderkerzen. "Und jetzt kommt die große Überraschung", verkündete er, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell seinen Platz ein. Langsam dreh- te sich der Weihnachtsbaum, hell spielte die Musikwalze "Oh du fröhliche". War das eine Freude! Die Kinder klatschten vergnügt in die Hände. Oma hatte Tränen der Rührung in den Augen. Immer wieder sagte sie: "Wenn Großvater das noch erleben könnte, dass ich das noch erleben darf." Mutter war stumm vor Staunen. Eine ganze Weile schaute die Familie beglückt und stumm auf den sich im Festgewand dre- henden Weihnachtsbaum, als ein schnarren- des Geräusch sie jäh aus ihrer Versunkenheit riss. Ein Zittern durchlief den Baum, die bun- ten Kugeln klirrten wie Glöckchen. Der Baum fing an, sich wie verrückt zu drehen. Die Musikwalze hämmerte los. Es hörte sich an, als wollte "Oh du fröhliche" sich selbst über- holen. Mutter rief mit überschnappender Stimme: "So tu doch etwas!" Vater saß wie versteinert da. Der Baum drehte sich so rasant, dass die Flammen hinter ihren Kerzen herwehten. Großmutter bekreuzigte sich und betete. Dann murmelte sie: "Wenn das Großvater noch erlebt hätte." Als Erstes löste sich der Stern von Bethlehem, sauste wie ein Komet durch das Zimmer, klatschte gegen den Türrahmen und fiel dann auf Felix, den Dackel. Lametta und Engelhaar hatten sich erhoben und schweb- ten wie ein Kettenkarussell am Weihnachts- baum. Vater gab das Kommando "Alles in Deckung!" Ein Rauschgoldengel trudelte los- gelöst durchs Zimmer, nicht wissend, was er mit seiner plötzlichen Freiheit anfangen sollte. Weihnachtskugeln, gefüllter Schokoladen- schmuck und andere Anhängsel sausten wie Geschosse durch das Zimmer und platzten beim Aufschlagen auseinander. Die Kinder hatten hinter Großmutters Sessel Schutz gefunden. Vater und Mutter lagen flach auf dem Bauch, den Kopf mit den Armen schützend. Mutter jammerte in den Teppich hinein: "Alles umsonst, die viele Arbeit, alles umsonst!" Vater war das alles sehr peinlich. Oma saß immer noch auf ihrem Logenplatz, wie erstarrt, von oben bis unten mit Engelhaar und Lametta geschmückt. Zu allem jaulte die Musikwalze im Schlupfakkord "Oh du fröhliche", bis mit einem ächzenden Ton der Ständer seinen Geist aufgab. Durch den plötzlichen Stopp neigte sich der Christbaum in Zeitlupe, fiel aufs kalte Buffet, die letzten Nadeln von sich gebend. Toten- stille! Großmutter, geschmückt wie nach einer New Yorker Konfettiparade, erhob sich schweigend. Kopfschüttelnd begab sie sich, eine Lamettagirlande wie eine Schleppe tra- gend, auf ihr Zimmer. In der Tür stehend sagte sie: "Wie gut, dass Großvater das nicht erlebt hat!" Mutter, völlig aufgelöst zu Vater: "Wenn ich mir diese Bescherung ansehe, dann ist deine große Überraschung wirklich gelungen." Andreas meinte: "Du, Papi, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?" Weihnachten

Seitenübersicht